Zwar trug mein Vater schlimme Narben von Kriegsverletzungen an seinem Körper, aber weder die Familie meiner Mutter noch die meines Vaters hatten zivile Opfer oder Gefallene zu beklagen. Verschonte Vorfahren.
Aber das Wort »Gefallene« hat mich immer berührt. Jeder weiß, dass sie nicht wieder aufstehen. Doch jeder versteht, dass es dieses mildernden Wortes bedarf, weil man der Erschütterung sonst nicht viel entgegenzusetzen hat, nur noch dies, dass man ihre Namen in Stein meißelt und sie in die Kirchen bringt, damit sie für alle Zeit in der Mitte der Lebenden bleiben.

Tafeln der Gefallenen in der St. Gertrudkirche Altenwerder.
Jahr um Jahr begehen wir den Volkstrauertag. Man mag es nicht glauben, aber das Geschick der Menschen ändert sich nicht. Kriege toben, Waffen brüllen, Menschen sterben und unentwegt müssen Namenslisten geführt werden. Viel Arbeit wartet auf die Steinmetze.
In meinem Bücherschrank steht ein Büchlein mit dem Titel »Ich habe deine Tränen gesehen«. Das ist ein Vers der Bibel aus 2.Könige 20,5. Das ist keine Antwort auf unsere Fragen, aber es ist ein Satz voller Mitgefühl.
Dem Entsetzen können unterschiedliche Gefühle folgen: Angst, Verzweiflung, Zorn, Mutlosigkeit und bei anderen Mut. Mitleid aber ist das einzige Gefühl, das wärmt und tröstet und nicht den Mut zum Kampf sondern den Mut zur Hoffnung nährt. Aus dem Mitleid kann alles entstehen, was wir uns für diese Welt wünschen.
»Ich habe deine Tränen gesehen« sagt Gott, und wir können das auch.
Herzliche Grüße, Gerhard Janke