Grenzen und Zölle

Ich bin in Lübeck aufgewachsen. Als Jugendlicher bin ich ein paar Mal mit meinen Freunden mit der Fähre von Travemünde nach Gedser gefahren und dann gleich wieder zurück. Die Tickets waren nicht zu teuer, wir hatten einen schönen Tag auf See und haben uns auf der Hin- und Rückfahrt die Bäuche am Skandinavischen Buffet vollgeschlagen, so wie junge Burschen das können und vertragen.

Wenn wir in Travemünde wieder an Land gingen, dann musste man am Zoll vorbei, den Personalausweis vorzeigen und versichern, dass man im Duty-free-Shop nicht mehr als einen Liter Schnaps und eine Stange Zigaretten gekauft hatte - wir fanden das ganz normal, nichts hat uns daran gestört.

EU und Schengen haben viel verändert, aber plötzlich sind diese Themen wieder da: Grenzen und Zölle. Beide sind dafür da, um das Eigene zu schützen, das eigene Zuhause, die eigene Arbeit, das eigene Einkommen, die eigene Unversehrtheit, das eigene Glück.

Ist das schon Egoismus?

Man übersieht leicht eine weitere Kostbarkeit, die genauso geschützt werden muss.
Er sagte aber zu einigen, die überzeugt waren, fromm und gerecht zu sein, und verachteten die andern, dies Gleichnis: Es gingen zwei Menschen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stand und betete bei sich selbst so: Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die andern Leute, Räuber, Ungerechte, Ehebrecher, oder auch wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme. Der Zöllner aber stand ferne, wollte auch die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig!

Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, nicht jener. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.
Lukas 18, 9-14
Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

Ich will nicht von Moral oder Demut sprechen, diese Worte haben zu viel Wucht. Ich will es so sagen: Zu den Kostbarkeiten, die des Schutzes bedürfen, gehört auch die Anständigkeit. Und man muss aufpassen, dass man seine Anständigkeit beim Nachdenken über Grenzen und Zölle nicht über Bord wirft.

Aber was ist dieser Anstand? Er ist keine Moral, er eignet sich nicht um anzuprangern oder einen Kulturkampf zu führen. Zum Anstand gehören Respekt und Freundlichkeit, Güte gegenüber dem anderen und die Einsicht, dass es gar nicht so einfach ist, den eigenen Ansprüchen selbst gerecht zu werden.

Grenzen und Zölle haben viel mit Furcht zu tun. Und es ist ja auch nicht so, dass es nichts zum Fürchten gäbe. Aber an der Reling mit dem Blick über die Ostsee haben wir die Freiheit geatmet. Anstand ist ein besserer Kompass als die Furcht und Freiheit das Ziel, das wir suchen.

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