In Ängsten

Im Kirchenjahr befinden wir uns heute an einer wichtigen Schaltstelle. Der vergangene Sonntag war der »Letzte Sonntag nach Epiphanias«, er war noch auf das Weihnachtsfest bezogen. Man sah es daran, dass die Antependien in der Kirche weiß wie die Windeln waren. Ab morgen übernimmt der jährlich wechselnde Ostertermin das Steuerrad des liturgischen Kalenders. Der morgige Sonntag trägt den Namen »4. Sonntag vor der Passionszeit«. Die liturgische Farbe wechselt nun bis zum Aschermittwoch auf Grün.

Auch thematisch schalten wir um. Der Glanz des Weihnachtsfestes liegt nun wirklich hinter uns. Es ist so, als ob der Winter jetzt erst richtig beginnt. Gefahr zieht auf, Angst kriecht in die Seele. Dem Winter könnte man sich mit einer weiten und langen Reise entziehen, die Furcht aber bleibt immer im Gepäck.

Beginnen möchte ich mit dem Psalm der Woche.
Danket dem Herrn; denn er ist freundlich,
und seine Güte währet ewiglich.
So sollen sagen, die erlöst sind durch den Herrn,
die er aus der Not erlöst hat.
Die mit Schiffen auf dem Meere fuhren
und trieben ihren Handel auf großen Wassern,
die des Herrn Werke erfahren haben
und seine Wunder im Meer,
wenn er sprach und einen Sturmwind erregte,
der die Wellen erhob,
und sie gen Himmel fuhren und in den Abgrund sanken,
dass ihre Seele vor Angst verzagte,
dass sie taumelten und wankten wie ein Trunkener
und wussten keinen Rat mehr,
die dann zum Herrn schrien in ihrer Not
und er führte sie aus ihren Ängsten
und stillte das Ungewitter,
dass die Wellen sich legten
und sie froh wurden, dass es still geworden war
und er sie zum ersehnten Hafen brachte:
Die sollen dem Herrn danken für seine Güte
und für seine Wunder,
die er an den Menschenkindern tut,
und ihn in der Gemeinde preisen
und bei den Alten rühmen.
Psalm 107B 1-2.23-32
Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

Dieser Psalm und überhaupt alle Geschichten der Bibel gehen gut aus. Und ich finde, das ist eine Schwäche der Bibel. Natürlich freue ich mich mit den Seeleuten in dem Psalm und ihren Familie, dass sie den ersehnten Hafen erreichten.

Aber Tragödien ohne Happy End haben eine größere Tiefe. Sie erreichen das Herz, sie öffnen die Quelle der Tränen. Von Leidensgeschichten, die unseren Leidensgeschichten ähnlich sind, geht mehr Tröstendes aus als von jenen, die gut ausgehen, und die sich fragen lassen müssen, ob sie statt etwas Tröstendem vielleicht nur etwas Vertröstendes haben.

Es gibt so viele Leidensgeschichten ohne Happy End. Und die muss man mit seinen Freunden aushalten und durchstehen, ohne gleich mit der Rede vom Happy End um die Ecke zu kommen.

Aber natürlich ist es ganz wunderbar, wenn man den rettenden Hafen erreicht hat. Und dann soll man nicht vergessen, Gott zu loben und zu preisen für seine Güte.
Inmitten unserer Ängste und Finsternisse jedoch spürt man die zerbrechliche Kostbarkeit des Lebens und lernt die Hände zu falten, und Gott um Hilfe anzuflehen.
Lass dir das Bild anzeigen!
Heinrich Gätke, Seesturm vor Helgoland, 1844, Museum Kunst der Westküste

Herr, gib acht auf uns, denn das Meer ist so groß, und unser Boot ist so klein!
Bretonisches Fischergebet

Mit herzlichen Grüßen
wünsche ich allen einen gesegneten Sonntag
Ihr und Euer Gerhard Janke